Vorlesung 1:

Prozess

Bündel von Aktivitäten, für das ein oder mehrere verschiedene Inputs benötigt werden und das für den Kunden ein Ergebnis von Wert erzeugt.
- Hammer & Champy (1994) Abfolge von Aufgaben, die über mehrere organisatorische Einheiten verteilt sein können und deren Ausführung von informationstechnischen Anwendungen unterstützt wird.

  • Österle (1995)

Geschäftsprozess

  • Besteht aus einer zusammenhängenden abgeschlossenen Folge von Tätigkeiten, die ein unternehmensbezogenes Ziel, das sich an der Strategie eines Unternehmens ausrichtet, unterstützt
  • Tätigkeiten werden von organisatorischen Einheiten unter Nutzung von Einsatzfaktoren ausgeführt
  • führt zu einem vom Unternehmen gewünschten Ergebnis
  • wiederholte bzw. wiederholbare Durchführung
  • Auslöser und Empfänger können externe sowie interne Kunden sein
  • z.B. Bearbeitung von Kundenanfragen, Untersuchung und Behandlung von Patienten, Verkauf von Produkten

💡

Geschäftsprozesse sind wertschöpfend (96,2 %), funktionsübergreifend (76,9 %), kundenorientiert, beinhalten Prozessverantwortliche und enthalten Ziele- und Messgrößen

Prozesslandkarte

  • Grafischer Überblick über Prozesse im Unternehmen
  • Zusammenhänge der Prozesse
  • Prozessschnittstellen

Steuerungsprozess

  • regeln das Zusammenspiel aller Geschäftsprozesse
  • z.B. Strategieentwicklung oder Unternehmensplanung

Kernprozesse

  • Hoher Wertschöpfungsanteil
  • Oftmals E2E Prozesse (Von Kundenwunsch bis zur Kundenzufriedenheit)
  • Wettbewerbskritisch
  • z.B. Auftragsbearbeitung oder Produktentwicklung

Unterstützungsprozesse

  • Keinen oder nur geringe Wertschöpfungsanteile
  • Nicht wettbewerbskritisch
  • z.B. Kostenrechnung, Personalwesen

Geschäftsprozessmanagement

  • integriertes System aus Führung, Organisation und Controlling zur zielgerichteten Steuerung und Optimierung von Geschäftsprozessen.

Funktionale Organisation

  • Zusammenstellung von ähnlichen Tätigkeiten in Funktionale Einheiten
  • Zur Überwachung der Produktivität werden Manager funktionalen Einheiten übergeordnet
  • Hohe Spezialisierung innerhalb der Tätigkeiten
  • Verantwortlichkeit für einzelne Tätigkeiten
  • Geringe Transparenz der Bedeutung einzelner Tätigkeiten für den Prozess
  • Fehlende Steuerung des Prozesses über die Organisationseinheiten hinweg
  • Eine punktuelle Verbesserung einer einzelnen Tätigkeit einer Organisationseinheit führt oftmals zu einer Prozessverschlechterung, da die Ziele der Organisationseinheit nicht notwendigerweise identisch mit den Prozesszielen sind.

Prozessorientierung

  • Verantwortlichkeit für den gesamten Prozess
  • Steuerung des Prozesses über die Organisationseinheiten hinaus
  • Kenntnis und Berücksichtigung der Bedeutung einzelner Tätigkeiten für den Prozess
  • Eine Prozessverbesserung in Abgleich mit z.B. Kundenzufriedenheiten kann zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen führen
  • Befähigt Organisationen, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und schnell erforderliche Anpassungen vorzunehmen

Geschäftsstrategie

  • Zielt darauf ab, Wettbewerbsvorteile zu schaffen, zu halten oder auszubauen, um den Erfolg und die Zukunft eines Unternehmens zu sichern
    • z. B.:
Marktorientierte Strategie- Marktvorteile durch Marktstruktur und Marktverhalten - z.B. Kostenführerschaft, Differenzierung, Fokussierung
Kostenführerschaft- Kostendegression durch hohe Stückzahlen und flächendeckendes Angebot - Schlanke Prozesse wie z.B. mangelnde Inventars, Präsentation auf Europaletten - Hohe Standardisierung - Produkt- und Sortimentsvereinfachungen durch wenig Variation - z. B. Aldi früher
Differenzierung- Besondere Produktfunktionen oder Produkteigenschaften - Umfassender und flächendeckender Kundendienst - Positives Markenimage - z. B. Miele
Fokussierung- Konzentration auf einen Teilmarkt oder eine Zielkundengruppe - z. B. Bionade (in der Vergangenheit)
- Ressourcenorientierte Strategie

Workflow- und Workflow-Management

💡

Die computergestützte Durchführung oder Automatisierung von Geschäftsprozessen. Er beinhaltet die zeitlichen, fachlichen und ressourcenbezogenen Spezifikationen, die für eine automatische Steuerung des Arbeitsablaufes auf der operativen Ebene erforderlich sind

💡

Workflow-Management umfasst alle Aufgaben, die bei der Modellierung, Spezifikation, Simulation sowie bei der Ausführung und Steuerung von Workflows erfüllt werden müssen

Workflow-Klassifikation

  • Allgemeine Workflows:
    • Vollständig strukturierbare Arbeitsabläufe
    • z.B. Kundenauftragsbearbeitung, Reisekostenabrechnung
  • Fallbezogene Workflows:
    • Nicht vollständig strukturierbare Arbeitsabläufe
    • Mit Freiheitsgraden für Bearbeiter
    • z.B. Kreditantragsprüfungen, Personalauswahl

Wertschöpfung

  • Differenz aus der Gesamtleistung und der Vorleistung
  • Gesamtleistung: Wert der nach außen abgegebenen Güter und Leistungen
  • Vorlestiung: Wert der eingesetzten Güter und Leistungen

Wie unterscheiden sich Geschäftsprozesse und Workflows?

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Strategisch vs Operativ

Strategie:

  • Langfristig (>3 Jahre)
  • Unternehmensweit, grundsätzlich, langfristig wirksam, den Unternehmenserfolg maßgeblich beeinflussend
  • → Die richtigen Dinge tun

Operativ

  • Kurzfristig (≤ 3 Jahre)
  • → Die Dinge richtig tun

Prozessphasen

  1. Prozessidentifizierung

    1. Beantwortet die Frage, welche Geschäftsprozesse eine Geschäftseinheit benötigt um die Kunden- bzw. Stakeholderbedürfnisse zu erfüllen
    2. Legt die Geschäftsprozesse und deren Beziehungen untereinander fest
    3. Ausgangspunkt:
      1. Zielmärkte & Kundengruppen
      2. Kundenbedürfnisse, -anforderungen und -erwartungen
      3. Wettbewerbsstrategie
    4. Mögliche Fragestellungen:
      1. Auf welche Kundengruppen will sich die Organisation in Zukunft konzentrieren?
      2. Welche Bedürfnisse haben die Kunden heute und in der Zukunft?
      3. Welche Leistungen (Produkte, Sach-, Informations- und Dienstleistungen, kundenspezifische Lösungen) erwarten die Kunden heute und in Zukunft?
      4. Wo liegen die Wettbewerbsvorteile des heutigen Leistungsangebotes?
  2. Prozessgestaltung

    1. Vollständige, formale, präzise und konstante Beschreibung des Geschäftsprozesses (Prozessmodellierung)

    2. Integration des Prozesses in die Aufbauorganisation

    3. Regeln:

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  3. Prozessausführung

    1. Umfasst die manuelle oder/und automatische Abwicklung der Geschäftsfälle in den Geschäftsprozessen
    2. Wird von der IT unterstützt oder automatisch durchgeführt
  4. Prozesscontrolling

    1. Die Gesamtheit der Aufgaben, Methoden und Techniken zur Planung, Kontrolle und Steuerung der Performance von Geschäftsprozessen sowie der damit verbundenen Informationsversorgung und Koordination
    2. Hat die Prozessführung & -Mitarbeiter dabei zu unterstützen, die Performance von Geschäftsprozessen zielgerichtet zu steuern und zu optimieren
    3. Aufgaben:
      1. Prozessziele und -kennzahlen festlegen
        1. z.B. Kundenzufriedenheit, Durchlaufzeit, Termintreue, Prozessqualität, Prozesskosten

        2. Ziele und Kennzahlen sind voneinander abhängig und müssen entsprechend gemeinsam geplant, kontrolliert und gesteuert werden

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      2. Zielerreichung und Prozessperformance messen
      3. Prozess steuern
      4. Prozessberichte erstellen
  5. Prozessverbesserung

    1. Performanceverbesserung des Prozesses (Effizienz & Effektivität), um die Gewährleistung der strategischen & operativen Organisationsziele nachhaltig zu gewährleisten
    2. Leistungsdimensionen sind Zeit, Kosten, Qualität
    3. Inkrementelle vs. Radikale Verbesserung
      1. Inkrementell:
        1. Stellt den Prozess nicht als ganzes in Frage, sondern verbessert diesen schrittweise
        2. (z.B. Heuristische Prozessverbesserung)
          1. Grundsätze, die in der Vergangenheit zu Prozessverbesserungen geführt haben
          2. Eine Heuristik selbst verbessert den Prozess nicht unbedingt, kann aber als möglicher Ausgangspunkt dienen.
        3. Verbesserungsheuristiken:
          1. Parallelisierung:
            • Gleichzeitige Durchführung von Prozessschritten
            • Verbessert die Dimension Zeit
          2. Zuweisung
            1. Ein Prozessmitarbeiter führt möglichst viele Prozessschritte durch
            2. Verbessert die Dimension Qualität
          3. Beseitigung
            1. Entfernung unnötiger Schritte
            2. Beeinflusst die Dimensionen Kosten und Zeit
          4. Variantenbildung
            1. Erstellung alternativer Versionen von Prozessschritten
            2. Einfluss auf Leistungsdimension Qualität
      2. Radikale Verbesserungsmethode
        1. Stellt den Prozess als Ganzes in Frage
        2. Zielt auf die radikale Neugestaltung ab
        3. z.B.: Business Process Reengineering
        4. Business Process Reengineering:
          1. Fundamentales Überdenken und radikales Redesign von Unternehmen und Unternehmensprozessen. Das Resultat sind Verbesserungen um Größenordnungen in entscheidenden, heute wichtigen und messbaren Leistungsgrößen in den Größen Kosten, Qualität, Service und Zeit
          2. Keine Optimierung - Sondern Neubeginn
          3. Hauptmerkmale:
            1. Fundamentales Überdenken
            2. Radikales Redesign von Strukturen & Verfahren
            3. Kunden- und Prozessfokussierung
            4. Nutzung der innovativen Möglichkeiten der Informationstechnologie
            5. Beispiel: Ablösung von Online-Shops durch Digitale Plattformen
          4. Bewertung:
            1. Fehlende methodische Unterstützung
            2. Radikale Neugestaltungen sind aufgrund bestehender Verpflechtungen oftmals nicht praktikabel
            3. Interessante Alternative in kritischen Situationen
    4. Wie kommt es zu Verbesserungsanstößen?
      1. Intern:
        1. Medienbrüche, Bearbeiterwechsel, Warte- und Liegezeiten
      2. Extern:
        1. Common Practice, Better Practice, Best Practice
        2. Best Practice:
          1. Bezeichnet die beste realisierte Lösung
          2. Ist oftmals nicht identisch mit der theoretisch bestmöglichen Lösung
          3. Probleme:
            1. Vergleichbarkeit
            2. Kausalität
            3. Standardisierung
  6. Prozessführung:

    1. Zielt darauf ab, Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern so zu beeinflussen, dass sie sich motiviert für das Erreichen der Prozessziele einsetzen
    2. → Entwicklung einer Prozesskultur
    3. → Schaffung von Prozessorientierten Motivations- und Anreizsystemen

Vorlesung 2

  • Was ist ein Modell?

    • Eine Abbildung eines Ausschnitts aus der Realwelt mit dem Zweck, etwas zu vereinfachen
    • Weist trotz der Vereinfachung Ähnlichkeiten in Struktur, Funktion oder Verhalten zur Realität auf
  • Wie lassen sich Modelle klassifizieren?

    • Darstellungsform
      • Verbale Modelle
      • Mathematische Modelle
      • Graphische Modelle
    • Realitätsbezug
      • Realmodelle
      • Idealmodelle
    • Umweltbeziehung
      • Offene Modelle
      • Geschlossene Modelle
    • Zeitablauf
      • Dynamische Modelle
      • Statische Modelle
    • Zielsetzung
      • Beschreibungsmodelle
      • Erklärungsmodelle
      • Entscheidungsmodelle
  • Ableitung von Gestaltungsaussagen

    • Praktisches Wissenschaftsziel
    • Entwicklung von Methoden zur Daseinsgestaltung
    • z.B. Maßnahmen zur Reduktion der Mitarbeiterfluktuation in einem Unternehmen
  • Bildung von Hypothesen

    • Kognitives Wissenschaftsziel
    • Erzielung von Erkenntniswachstum und Fortschritt
    • z.B. Erklärung von Kaufverhalten
  • Modellierung

    • Prozess der Modellbildung
    • Reduziert die Komplexität, indem für den Zweck des Modells unwichtige Dinge weggelassen werden
    • Wird durchgeführt, um Phänomene der Realwelt zu veranschaulichen, zu erklären und zu verstehen
  • Modellierung von Geschäftsprozessen

    • Führt zu einer Reduktion der Komplexität von Geschäftsprozessen durch Konzepte
      • Sichtenbildung
      • Schrittweise Verfeinerung
    • Wird zur Verbesserung der Verständlichkeit und Transparenz der abgebildeten Geschäftsprozesse durchgeführt
  • Konzept der Sichtenbildung

    • Setzt den Fokus auf bestimmte Teilaspekte des Gesamtsystems, um nur für die Sicht relevante Inhalte darzustellen

    • ARIS:

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  • Konzept der schrittweisen Verfeinerung

    • Darstellung des abzubildenden Systems auf verschiedenen Ebenen unterschiedlichen Detaillierungsgrads

    • z.B.

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  • Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung

  • wurden in Anlehnung an die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung entwickelt

  • Bilden einen allgemeingültigen Ordnungs- und Gestaltungsrahmen

  • Sollen zur Sicherstellung und Erhöhung der Qualität von Modellen beitragen

  • Grundsatz der Richtigkeit:

  • Verlangt die korrekte Abbildung des Ausschnitts aus der Realwelt

  • Bezieht sich auf die syntaktische und semantische Korrektheit

  • Was bedeutet Semantik?

  • Was bedeutet Syntax?

  • Einsatzzwecke eines Prozessmodells

  • Organisationsdokumentation

    • Dient der (aktuellen) Beschreibung der Prozesse
    • Zielt darauf ab, die Transparenz über die Prozesse zu erhöhen
    • z.B. Einarbeitung in betriebliche Sachverhalte
  • Kontinuierliches Prozessmanagement

    • Dient dem Vergleich der Prozessmodelle (Soll) mit der tatsächlichen Form der Prozessrealisierung (Ist)
    • Mögliche Abweichungen sind entweder auf ein inadäquates Prozessmodell oder eine unzureichende Prozessführung zurückzuführen
  • Zertifizierung

    • Dient dem Nachweis, dass die Prozesse die Anforderungen eines Qualitätsmanagements wie z.B. der ISO-Norm 9001:2015 erfüllen
  • Benchmarking

    • Dient dem Vergleich unternehmensindividueller Strukturen und Performance mit ausgewählten internen oder externen Referenzen
  • Softwareanpassung

    • Dient der Anpassung der in einer Standardsoftware erhaltenen Referenz-Prozessmodelle
  • Softwareentwicklung

    • Dient der Beschreibung von Anforderungen an eine Individualsoftware
  • Workflow-Management

    • Ist Grundlage für die Ausführung von Workflows
  • Sprache:

  • Ist ein Zeichensystem zur Darstellung von Informationen

  • Syntax:

  • Beschreibt die Regeln, nach denen die Sprachkonstrukte (Satz, Wort) gebildet werden

  • Semantik:

  • Beschreibt die Bedeutung der Sprachkonstrukte

  • Pragmatik:

  • Beschäftigt sich mit der Verwendung und Bedeutung von Sprachkonstrukten in konkreten Situationen

  • Formale Sprache:

  • Dient der Definition und Anwendung formaler Systeme

  • Syntax und Semantik eindeutig definiert

  • z.B. Programmiersprachen

  • Informale Sprache:

  • Dient insbesondere der Kommunikation

  • Syntax oder Semantik nicht eindeutig festgelegt

  • z.B. Natürliche Sprache (Deutsch)

  • Modellierungssprache:

  • Ist eine künstliche Sprache zur Erstellung von Modellen

  • Ist verfügbar als:

    • textuelle oder visuelle Sprache
    • formale oder informale Sprache
  • z.B. Beschreibung eines Prozesses in natürlicher Sprache

  • Wie können Modellierungssprachen klassifiziert werden?

  • Textuell

  • Graphisch

  • Textuelle Prozessbeschreibung:

  • Prozesselemente werden durch z.B. Satzglieder wie “Subjekt”, “Prädikat” oder “Objekt” beschrieben

    • “Subjekt” = Prozessbeteiligter
    • “Prädikat” = Prozessschritt
    • “Objekt” = Prozessobjekt
  • Der Prozessablauf wird durch Adjektive wie “gleichzeitig” oder Adverben wie “Anschließend” beschrieben

  • Textuelle Analyse von Prozessen:

  • Ein Großteil findet sich in textuellen Beschreibungen

  • Aus den textuellen Beschreibungen können durch eine Analyse (Subjekt, Prädikat und Objektanalyse) Prozesselemente hergeleitet werden

  • Die hergeleiteten Prozesselemente können dann für z.B. eine graphische Prozessbeschreibung herangezogen werden